Peter Weber

Die Faltung steht im Zentrum von Peter Webers (* 1944) Werk. Anders als etwa bei den Arbeiten von Ben Muthofer geht es bei Webers Faltungen nur peripher um die Themen Licht und Schatten, sondern vielmehr um die Ästhetik der Konstruktion. Nach seinem Studium bei dem strengen Konstruktivisten Max Hermann Mahlmann in Hamburg hatte er sich zunächst mit Fragestellungen der Op-Art beschäftigt und experimentierte mit der Scheinräumlichkeit durch Linienüberlagerungen. Raum zu erzeugen, ohne der Fläche etwas hinzuzufügen, ist auch das Thema seiner Faltungen, die ab Mitte der 1970er-Jahre die Op-Art-Arbeiten allmählich ablösen. Der russische Konstruktivist El Lissitzky versuchte in den 1920er-Jahren, in seiner Malerei durch die Staffelung von geometrischen Formen eine Anmutung von Raum zu erzeugen, der nichts mit dem realen Raum zu tun haben sollte, sondern als idealer, abstrakter Raum der Kunst und der Ideen gedacht war. Die Konstruktion sollte sich in der Malerei aus der Fläche lösen und in den dreidimensionalen Raum erweitern. Was bei El Lissitzky eine gemalte und gedachte Räumlichkeit blieb, ist bei Peter Weber mit seinen Faltungen in die Tat umgesetzt. Werke wie etwa 3 Rechtecke I FW6 (2019) sind, obwohl sie die Flächigkeit verlassen und sich ins Dreidimensionale entwickeln, keine Reliefs, sondern eigentlich Zeichnungen von Konstruktionen, die die Fläche überwunden haben. Peter Weber entwirft hier eine Konstruktion, der es gelingt, eine weiße Fläche ohne Einschnitte oder collageartige Hinzufügungen alleine durch eine komplexe Falttechnik so zu verändern, dass drei Querrechtecke im Zentrum des Bildes übereinanderzuliegen scheinen. Die gezeichnete geometrische Form wird körperhaft. Das Schaffen einer Form, die Konstruktion der Form und die Setzung einer endgültigen, weil universell gültigen Form sind Kernideen der konkret-konstruktiven Kunst, wie sie sich im 20. Jahrhundert entwickelt hat. Sie ist unweigerlich mit dem Postulat von Perfektion und Präzision verbunden. Peter Webers Arbeiten mit Filz, etwa die beiden Diptychen (2016), sind absolut perfekte Konstruktionen. Aber sind sie auch präzise? Es gleicht schon einem Wunder, dass es Weber gelingt, aus dem etwas schwerfälligen und sich eigentlich der Bewegung widersetzenden Material Filz solch komplexe Faltungen zu fertigen. Dass anders als bei seinen Papierfaltungen dabei keine präzisen Kanten entstehen, nimmt er in Kauf. Mehr noch: Er hat gerade das Material Filz gewählt, weil dies dort eben nicht möglich ist. Das Widerständige des Materials, der Unwille, ja fast die Unbeugsamkeit, sich falten zu lassen, ist bei jeder Filzfaltung spürbar. Der Intellekt und die von ihm erdachte Konstruktion führen einen permanenten, immanenten sowie zugleich präsenten Disput mit dem natürlichen Material Filz. Auf einer Metaebene sind die Faltungen von Peter Weber damit wunderbare Metaphern für den Disput zwischen Ratio und Natur.

Dr. Tobias Hoffmann